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24. Juni 2017

Segeberger Kreis-Bauerntag 2017, G20 und die Bauernkriege.

Unbekannt - eingescannt aus: Otto Henne am Rhyn:  Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Zweiter Band, Berlin 1897, S.21

"Das Höfe-Sterben wird weiter gehen", titelte die Segeberger Zeitung gestern über den gerade stattgefundenen Segeberger Kreis-Bauerntag. Und diese gedrückte Stimmung war bei der Veranstaltung auch deutlich spürbar. In gegenseitiger Wertschätzung wurde auch DIE LINKE geladen und ist gern nach Heiderfeld gekommen. Denn keinem kann es egal sein wie das, was man/frau  3 mal täglich auf dem Teller hat, entsteht. Meist in harter Arbeit. 

Drei junge Landwirte, Wiebke Gerdes, Martin Rungenhagen-Gollup und Steffen Thies schilderten die Herausforderungen, die sie in ihren Beruf mutig zu meistern haben. Sie sehen sich mit Rahmenbedingungen, Standards, Bürokratien und Vorschriften konfrontiert, die ihre großenteils ausländische Konkurrenz überhaupt nicht kennt. Außerdem wurde über Vorurteile geklagt, die pauschal gegenüber Landwirten geäußert würden. Schlagwort des Tages war: "Volatile Preise", das meint. flüchtig, unberechenbar, stark schwankend. Wer das achselzuckend als normales unternehmerisches Risiko abtut, täuscht sich. Neben Vorbereitung, Einrichtung, Verarbeitung, Lagerung und Absatz müssen Agrarprodukte ja erst mal - oft monatelang, wachsen. Die Zeitspanne von Mitteleinsatz bis Ertrag ist viel länger als bei den meisten industriellen Massenprodukten. Dem gegenüber steht ein internationaler Markt, der wie kaum ein anderer von Marktmächten und Finanzspekulationen geprägt ist.

Frau Professorin Dr. Hiltrud Nieberg vom Thünen Institut, das dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft untersteht, trug mit gefühlt 300 Statistiken zur Lage des Wettbewerbs in der Landwirtschaft vor. Im Ergebnis ignorierte sie die von den Jungland-wirt/innen vorgetragenen Sorgen. Vielmehr zeigte sie sich beunruhigt über die große Spann-weite zwischen den gut verdienenden Bauern und denen, die rote Zahlen schrieben. Es würde wohl manchmal das betriebswirtschaftliche Wissen fehlen. In das gleiche Horn stieß Ernst-Walter Meyer, Leiter der Landwirtschaftsschule in Bad Segeberg: "Es gäbe eben gute und nicht so gute Landwirte." Begriffe, die leider überhaupt nicht vorkamen, waren: Ökologie, Nachhaltigkeit, Regionalität und Selbstvermarktung wie z.B. bei: https://kattendorfer-hof.de/

Die Konzentration ist enorm. Bei gesamt etwa gleicher Fläche und gleichem Tierbestand ging die Zahl der deutschen landwirtschaftlichen Betriebe von 1.017.697 im Jahr 1971 auf 276.000 im Jahr 2016 zurück. Besonders stark verringerte sich die Zahl der Höfe, die Tiere halten. Insgesamt schrumpft die Zahl der Betriebe jährlich um 3%. Soweit zum Kreis-Bauerntag.

Land-grabbing: Seit etwa 2008 hat das kumulierte Kapital mangels anderer interessanter Anlagemöglichkeiten Land als Investitionsobjekt entdeckt. https://the-connection.jimdo.com/2016/01/14/land-grabbing-in-deutschland-der-ausverkauf-an-gro%C3%9Finvestoren/ Als Objekt der Begierde ist besonders Afrika zu nennen. Eine Fläche halb so große wie Europa wurde bereits aufgekauft. Die Böden werden für GPS-gesteuerte Maschinen im großen Stil eingeebnet. Internationale Banken und Investmentfonds, Industrieländer, Agrarkonzerne und reiche Einzelunternehmer wollen auf Riesenflächen gigantische industrielle Großfarmen aufziehen, die Nahrungsmittel und Biosprit für den Export produzieren. Das Kapital kommt etwa zur Hälfte aus der EU, besonders aus Deutschland. Der berühmte Spielfilm Landraub hierzu ist nicht im Netz, aber eine Vorstellung bei ARD/ttt- https://www.youtube.com/watch?v=MEhR_amhB1A und ein Interview mit dem Produzenten Kurt Langbein https://www.youtube.com/watch?v=pF8iGQG5j8s

Schwerpunkt von G20 ist "Compact with Afrika", wobei die selbsternannten Herrscher der Welt - nein, nicht mit Afrika, sondern über Afrika befinden wollen. (Das einzige afrikanische Land das teilnimmt, ist Südafrika).G20 will auserwählten Regierungen in der fruchtbaren Äquator Zone weitere, noch größere Investitionen - besonders in Land anbieten. Bedingung ist jedoch, dass die auserwählten Länder für die Investoren Sicherheitsstrukturen schaffen. Dafür sollen sie z.B. höhere Umsatzsteuern erheben oder soweit vorhanden, Sozialbudgets kürzen. Ich schätze das mal so ein, dass man bei der Lieferung von Sicherheitsequipment gern behilflich ist.

Weitere Positionen von DIE LINKE zur Landwirtschaft:

https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/situation-in-der-landwirtschaft-ist-agrarpolitisches-armutszeugnis/

https://www.die-linke.de/detail/ein-umsteuern-ist-ueberlebenswichtig/

https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/welternaehrung-braucht-kleinbauern-und-keine-agrarkonzerne/

Zuletzt die gute Nachricht für die Historiker unter uns: Die Lieder der Gruppe "Schmetterlinge" über die Bauernkriege und andere sind komplett auf you tube verfügbar. Z.B. dieses: Der Bauer trägt das ganze Land auf dem gebeugten Rücken... https://www.youtube.com/watch?v=cj16Q7Uj2Cg&list=PLuWT6kukl6r8ROZ3muHd_8ZUxQ6nQPh4G&index=5 Vielleicht ist das ja ein Anlass, über die gern verschwiegene erste deutsche Revolution vor fast exakt 500 Jahren parallel zur "Reformation" mal ausführlicher zu googeln; denn der Bauernkrieg ist in all seinen Facetten ein zeitloses Paradebeispiel für Ausbeutung-Repression-Widerstand-Auseinandersetzung und Reaktion. Vergangenes ist nicht tot, es ist nicht mal vergangen. Nur die Formen variieren.