Zur Zeit wird gefiltert nach: Kommualpolitik

5. September 2013 Heinz-Michael Kittler

Ist die aktuelle FAG Debatte ein Fake?

Kreishaus Segeberg

Kreishaus Segeberg

Was wir schon immer über Kommunalfinanzen wissen wollten:

Da Landkreise im Gegensatz zu Bund, Land oder Gemeinden über keine eigene Steuererhebungshoheit verfügen,  ziehen  sie über die Kreisumlage finanzstarke Gemeinden stärker und finanzschwache Gemeinden weniger stark heran, um die gesetzlich übertragenen Aufgaben der Kreise zu finanzieren. Daraus ergibt sich eine Ausgleichsfunktion, welche die Daseinsbedingungen der Bürger Kreisweit möglichst angleichen sollen.

Wegen regionaler Vor- oder Nachteile übt auch das Land eine Ausgleichsfunktion aus. Die Höhe der ausgleichenden (Schlüssel) Zuweisungen richten sich nach regionalen Gegebenheiten und errechnen sich jedes Jahr neu. Das Gerüst dieser Mathematik ist im Schleswig-Holsteinischen Finanz-Ausgleichs-Gesetz (FAG) geregelt. Nachdem das Land SH das Umverteilungsvolumen vor einigen Jahren wegen der "Schuldenbremse" um 120 Mio € gekürzt hatte, werden aktuell 960 Mio € über Schlüsselzuweisungen umverteilt.

Wie Innenminister Andreas Breitner (SPD) den Kreistagsfraktionsspitzen am  27. August erläuterte, hatte er zur Vorbereitung einer Reform des FAG ein Gutachten in Auftrag gegeben, das nun vorliegt. Das Gutachten selbst steht auf der Internetseite des Innenministeriums unter  www.landesregierung.schleswig-holstein.de zum Download bereit. Der Fahrplan lautet:

  • 24.09.2013 erste Kabinettbefassung des FAG-Entwurfes im Landtag.
  • bis Januar 2014: Anhörung der Kommualverbände
  • Februar 2014:  Erste Lesung im Landtag.
  • September 2014: Zweite Lesung.

Das rechtzeitige Inkrafttreten soll gesichert werden, damit es in die Kreishaushalte 2015 eingebaut werden kann.

Kern der Reform: Stärkung der kreisfreien Städte und der Gemeinden, Schwächung der Kreise

Laut Breitner sei eine Reform seit langem überfällig und von allen gewollt gewesen, denn das gültige FAG-Gerüst sei 40 Jahre alt, unflexibel, intransparent und nur nach Einwohnerzahlen geregelt. Sogar die Zonenrandförderung war noch formuliert. Zielvorgabe  für das Gutachten war ein Inkrafttreten am 01.01.2015 eines neuen FAG, das effizient, gerecht, nachvollziehbar, einfach, und atmend gestaltet ist.
Die Gutachter hätten den Auftrag, die künftigen Zuweisungsquoten künftig gemäß den konkreten aufgabenbezogenen Ausgaben bei jeweils: den kreisfreien Städten,
den kreisangehörigen Gemeinden und den Landkreisen neu zu ermitteln.

Demnach seien zunächst die kreisfreien Städte wegen zentraler Sonderaufgaben besser zu stellen. Über die Veränderung im ländlichen Bereich sei er selbst überrascht gewesen.
Es verändert sich die Quote für gemeindliche Aufgaben von 40 auf 42%,
für übergemeindliche Aufgaben von 11 auf 13 % und für die Kreisaufgaben sinkt sie von 48 auf 43%. Wie weit sich die Schlüsselzuweisungen für unseren Kreis Segeberg reduzieren, muss noch spitz gerechnet werden.

Wie lassen sich nun die Auswirkungen auf das Ergebnis unseres Kreishaushaltes prognostizieren? Aus dem FAG-Entwurf geht  schon hervor, dass sich die jährlichen Schlüsselzuweisungen für den Kreis Segeberg um etwa 11 Mio € reduzieren könnten. Wer dazu neigt, davon 10 Mio Vorteil für die Bundesübernahme der Grusi abzuziehen muss aber berücksichtigen dass dann der Haushalt von 2011 zugrunde gelegt werden muss, wo der Kreis noch voll Träger der Grusi war. Damals schloss er sein Ergebnis mit einem Defizit von knapp 8 Mio € ab. Rechnet man die 1 Mio Nettodifferenz noch hinzu, so ergibt sich eine Gesamtkürzung von immer noch 9 Mio €. Nach Abzug der in den letzten 2 Jahren erfolgten strukturellen Konsolidierungen wird der Zeiger nicht wesentlich unter 8 Mio Malus stehenbleiben. Das entspräche einer Erhöhung der Kreisumlage um fast 3 % Punkte auf 40,5%, und hört sich gar nicht gut an.

Den Missmut alle Kreistagsfraktionen, besonders über die Verrechnung der gerade als Konsolidierungshilfe vom Bund ab 2014 voll gewährten Grusi-Übernahme
(Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit, also HartzIV für Rentner)
könne der Minister nachvollziehen. Aber Tatsache sei, dass Grusi ab 2014 eben nicht mehr zu den Kreisaufgaben gehöre, und insofern die Aufgabendarstellung des Gutachten korrekt wäre. Weiter erinnerte er daran, dass das Land die 120 Mio. (s.o.) ja auch wieder über die steigende Kita Beteiligung in steigenden Stufen auszahlen werde. Einen Zwang zur Erhöhung der Kreisumlage sähe er aber nicht.

Einige Punkte der heftigen Kritik des SH-Landkreistages an dem Gutachten griff der Minister auf, andere forderten wir Kreispolitiker noch nach, insbesondere dass die Gutachter unterschiedliche Perioden miteinander verglichen hätten.

Kritik aus  den Kommunalverbänden

Natürlich wird die künftige Lage für die Landkreise, die sich mühsam konsolidieren, wohl jetzt wieder kritischer denn dem erneuten finanziellen Druck stehen nur drei Ventile gegenüber. Diese heißen: Verschuldung, Aufgabenreduzierung oder/und Kreisumlage. Und alle treffen letztlich die Bürger, besonders die Schwächsten der Schwachen.

Deshalb kam die Beissrhetorik der Funktionäre vom SHGT (Schleswig-Holsteinischer Gemeindetag) Kreisverband Segeberg, auf seiner konstituierenden Sitzung am 2. September nicht unerwartet. Natürlich machten sie nur das, was die Bürgermeister von guten Verbandsfunktionären erwarten. Und sie erfreuten diese mit dem Hinweis, dass der Kreis die Grusi-Erleichterung, die angeblich eigentlich den Gemeinden zugestanden hätte, nun wieder los sei. Weiter schrieben sie auf ihre Fahnen, an der Besserstellung der Gemeinden gegenüber den Kreisen mitgewirkt zu haben und  zitierten den Minister dort wo es passte, z.B. dass er keinen Zwang zur Erhöhung der Kreisumlage sähe, kritisierten aber zu Recht, dass die Gutachter den Auftrag hatten, das bei 960 Mio. € gedeckelte Gesamtbudget einzuhalten. Dennoch konnte der SHGT an den ermittelten Aufgaben für 2011 errechnen, dass 200 Mio € im System fehlen würden.

Der als Gast anwesende Landtagsabgeordnete Dr. Axel Bernstein (CDU) mahnte zurecht: Niemand dürfe erwarten, dass das neue FAG dieser Landesregierung eine Wohltat für die Gemeinden werde, aber aus seiner beabsichtigten Botschaft zu schließen, eine CDU Regierung hätte anders gehandelt, wäre fatal.

SHGT Landesgeschäftsführer Jörg Bülow stellte richtig fest: Die Finanzdecke sei zu kurz. „Sie wird immer nur hin und her gezerrt. Das führe zu Finanzlücken mal hier und dann mal da."
Nach dem überwiegendem Frohlocken von SH-Städtetag und SH-Gemeindetag ist nun der SH-Landkreistag in Gegenstellung gegangen. Nach einer ersten Mängelliste zu Gutachten und Gesetzentwurf Ende August hat jetzt deren Chef, Ostholsteins Landrat Reinhard Sager, starke Kritik geäußert: Auch das Land SH habe durch die Bundesübernahme der Grusi einen jährlichen Vorteil von 55 Mio €. Es wäre das Mindeste, wenn das Land dieses Geld herausgäbe und umleite in die Erhöhung der Finanzausgleichsmasse.

Was bei dieser Gemengelage letztlich herauskommt, bleibt abzuwarten. Dabei ist es immer schwer mit anzusehen, wie sich kommunale Ehrenämtler/nnen aller Parteien an den Finanzen abarbeiten, ohne dass ein Cent mehr in das System kommt. Wie beim Finanzausgleich zwischen den Ländern, so auch beim FAG im Land oder der Kreisumlage: Nirgends hilft die gern gestellte Frage weiter, ob Kommunen, die ihre Schularbeiten gemacht hätten vom Kreis mit hoher Umlage bestraft werden, oder ob
ein angemessen Ausgleich z.B. zwischen Norderstedt und Negernbötel richtig ist denn hinsichtlich der Kreisumlage verläuft die Konfliktlinie unserer Auffassung nach nicht zwischen Kreis und Gemeinden sondern sie verläuft zwischen armen und reichen Gemeinden.

Offenbar will nur DIE LINKE, dass mehr Geld ins System muss.
Offenbar will nur DIE LINKE, dass Reichtum gerechter besteuert wird.
Offenbar glaubt nur DIE LINKE, dass Hin- und Herschieben von Notrationen kein
einziges Problem löst.

Ganz sicher lösen die Gemeinden ihre Probleme nicht, indem sie ihre Bürger z.B.   mit Erhöhung von Grund- oder Hundesteuer oder Kita- Gebühren traktieren.

Alternativen

Den Schlüssel des Problems sieht DIE LINKE in den zu niedrigen Einnahmen der Gemeinden. Allein 45 % ihrer originären Einnahmen schöpfen sie aus der Gewerbesteuer. DIE LINKE will deren Basis zu einer Gemeindewirtschaftssteuer erweitern und Ausnahmeregellungen für "Freie Berufe" abschaffen. Sie haben längst keine Grundlage mehr. Beispielsweise wurden Anwälte und Notare zu Beginn der Nazi-Zeit vor 80 Jahren von der Gewerbesteuer befreit, um ihnen die "völkische" Gleichschaltung zu versüßen. Bezeichnender Weise gab es bis heute keine Mehrheiten, das zu korrigieren.
DIE LINKE hat bei der Forderung zur Gemeindewirtschaftssteuer zwar viele Verbündete in Kommunalverbänden und auch in anderen Parteien, aber Fraktionszwänge verhinderten bisher die Umsetzung der Gemeindewirtschaftssteuer.

Weitere 30% der Gemeindeinnahmen entspringen deren Anteil aus der Lohn- und Einkommenssteuer. Ein höheres Lohnniveau für Arbeitnehmer und Anhebung des Spitzensteuersatzes für hohe Einkommen würde sich ebenfalls unmittelbar und kräftig auf die Gemeindeeinnahmen auswirken. Da Lohnanhebungen, besonders im unteren Bereich auch Kaufkraftschub bedeuten, würde Mittelstand und wiederum die Gemeinden profitieren, die auch an den Umsatzsteuereinnahmen beteiligt sind.
Das würde auch eine Reduzierung der gewaltigen kommunalen Aufwendungen für Aufstocker bedeuten, bundesweit 1,4 Millionen Kollegen bei Vollzeitbeschäftigung!
Darum dürfen Kommunalpolitiker sich bei Ihren vielen Einzelentscheidungen auch  nicht länger davor drücken, das örtliche Lohnniveau in den Blick zu nehmen und sollten den Initiativen der linken Kreistagsfraktion folgen. (z.B.Taxi-Tarife, Rettungsdienste, WZV-Lohndumping, beauftragte Träger von sozialen Diensten usw.).
Neben der unterfinanzierten Bildung darf auch die Infrastruktur nicht weiter verfallen. Inzwischen gibt es mangels Haushaltsmitteln einen kommunalen Investitionsstau von insgesamt 140 Mrd. €. Das ist auch gleichzeitig ein gigantischer Konjunkturstau!

Ob das neue FAG für Schleswig-Holstein die Notrationen gerechter verteilt oder nicht und wie immer die nun folgenden Sitzungsmarathons bis zu seinem in Kraft treten auch ausgehen -  die Frage, wie viel Geld in das System fließt, wird in Berlin beantwortet.

Deshalb mit der Zweitstimme am 22. September DIE LINKE wählen.