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23. Oktober 2012

Schleswig-Holstein: »ehrlicher und solider Politikwechsel«?

pauline /pixelio.de

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von Björn Radke

Schleswig-Holsteins Landesregierung hat ihren Haushaltsentwurf für das kommenden Jahr beschlossen. Die Haushaltsberatungen im Kieler Landtag sind für den 15. November angesetzt. Der »Sparhaushalt« der »Dänen-Ampel« steht unter dem selbst gesetzten Diktat der »Schuldenbremse«. Im Kern soll an dem von der schwarz-gelben Vorgängerregierung verfolgten Haushaltskonsolidierungspfad festgehalten werden. »Mit dem Haushaltsentwurf lösen wir die Erwartungen an die neue Landesregierung Punkt für Punkt ein. Wir haben den Politikwechsel belastbar durchfinanziert. Wichtige Zukunftsinvestitionen verbinden wir mit den Grundsätzen solider Haushaltspolitik«, so Finanzministerin Monika Heinold.

»Wir setzen unsere klaren Prioritäten in den Bereichen Bildung, erneuerbare Energien und Infrastruktur um und zeigen: Gerade wer wenig Geld hat, braucht umso mehr gute Ideen.« Sie sieht sich voll auf dem »Konsolidierungspfad«, an dessen Ende (2020) das strukturelle Defizit bei Null liegen soll.

Der aktuelle Haushaltsentwurf 2013
sieht bei einem Gesamtvolumen von 9,3 Mrd. Euro eine Neuverschuldung im nächsten Jahr 419 Mio. Euro vor – und liegt damit deutlich unter den ursprünglich angesetzten 941 Mio. Euro. Nach den Vorgaben der Verwaltungsvereinbarung zur Konsolidierungshilfe mit dem Bund dürfte das strukturelle Defizit des Landes 2013 rund 922 Mio. Euro betragen. Der Haushaltsentwurf sieht nach Berechnungsmethode des Bundes aber nur 363 Mio. Euro strukturelles Defizit vor. Demnach liegt das Land 559 Mio. Euro unter dem zulässigen strukturellen Defizit. »Damit halten wir die Bundesvorgabe mit einem ausreichenden Puffer klar ein und sichern die Auszahlung der 80 Millionen Konsolidierungshilfe des Bundes«, so die Finanzministerin. Also alles gut und der Politikwechsel in trockenen Tüchern ? Das Gegenteil ist der Fall.

Ursache der vordergründig guten Zahlen sind die unerwartet hohen Steuermehreinnahmen von 480 Mio. Euro aufgrund der günstigen Konjunkturlage. Für 2013 wird gleichfalls mit Mehreinnahmen gerechnet. Die nach der Steuerschätzung vom Mai 2012 erwarteten hohen Steuereinnahmen basieren auf einer optimistischen Annahme über die Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts in den nächsten Jahren: 2012: 0,7%, 2013: 1,6%, 2014 bis 2016: 1,5%, so das Innenministerium in seinem Bericht zur finanziellen Lage der der Kommunen vom August 2012. Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein hat im ersten Halbjahr 2012 noch ein reales Wachstum von 0,5% erreicht, die weitere Tendenz ist deutlich fallend. Die für 2013 prognostizierten 1,6% des BIP für den Bund werden nach neueren Schätzungen deutlich schlechter ausfallen und Schleswig-Holstein wird im unteren Drittel aller Bundesländer verharren. Die Bundesregierung kalkuliert für 2013 nur noch mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,0%. Bei einer realistischen Einschätzung zeigt sich für die öffentlichen Finanzen in Kiel: Der Korridor für den Konsolidierungspfad ist sehr schmal angelegt und bei einer weiteren Veränderung der konjunkturellen Rahmenbedingungen nach unten, ist dieser Haushaltsplan Makulatur.

Auch die Finanzministerin muss trotz der anhaltend positiven Entwicklung bei den Steuereinnahmen ein unsicheres konjunkturelles Umfeld konstatieren, hält aber an ihrem Ziel fest, in den kommenden Haushaltsjahren wie geplant 10% Personalabbau zu realisieren. Dies hatte der Landesrechnungshof schon im Mai 2011 angemahnt: »Der in der 17. Wahlperiode eingeschlagene Sanierungskurs muss konsequent fortgesetzt werden. Dabei dürfen auch die Personalausgaben nicht ausgeklammert werden. Mit 3,3 Mrd. € sind sie der größte Posten im Landeshaushalt. Es war daher richtig, dass die Landesregierung beschlossen hat, bis 2020 mehr als 5.300 Stellen abzubauen. Dies entspricht einem Gegenwert von 267 Mio. Euro.«Im Klartext: Auch die Dreier-Ampel hat keinen anderen Plan als ihre Vorgängerregierung: die Personaldecke im Öffentlichen Sektor ausdünnen und die Arbeit verdichten. »Für Tarifsteigerungen sind ca. 45 Millionen Euro eingeplant und für mögliche Auswirkungen durch absehbare Bundesgesetzesänderungen haben wir zusätzliche Belastungen von mehr als 10 Millionen Euro eingeplant.« In der Praxis heißt dies: Alle Tarifvereinbarungen, die über den Abschluss von 1,5% hinausgehen werden durch Stellenkürzungen wieder reingeholt.

Die Landesregierung übernimmt faktisch die Rolle des offiziellen »Lohndrückers«.
Dies ist für Schleswig-Holstein gewiss kein positiver Politikwechsel. »Die Lage ist dramatisch, nirgendwo in Westdeutschland wird so schlecht verdient wie im Norden«, kritisierte Uwe Polkaehn, Vorsitzender der DGB Nord. Die Landesregierung müsse die Lohnskala ins Zentrum der Politik stellen. »Es müssen der Mindestlohn, sozialversicherungspflichtige Arbeit und eine gerechte Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen her – die Lohnspirale muss sich nach oben drehen«, fordert der DGB-Vorsitzende. Stattdessen weitere Ausdünnung bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und Lohndrückerei.

Der Landesregierung konnte – dank der sprudelnden Steuern – noch auf die harten Maßnahmen zur Einhaltung der Vereinbarungsvorgaben mit dem Bund verzichten. Sie nutzt die vorhandenen Spielräume für einen anderen Entwicklungspfad nicht. Stattdessen erklärt sie zum Kern ihres Haushaltsentwurfs das neu aufgelegte Programm für vorsorgende Finanzpolitik (PROFI). »Wer langfristig konsolidieren will, kann das in Back- und Ziegelsteinen verbaute Landesvermögen nicht verkommen lassen und zusätzlich zum Fenster hinausheizen. Deshalb nutzen wir unsere Spielräume und nehmen 50 Millionen Euro für ein Investitionsprogramm in die Hand, das sich rechnet.« Zum einen werden investive Maßnahmen in Höhe von 35 Mio. Euro insbesondere im Bereich der energetischen Sanierung von landeseigenen Gebäuden umgesetzt, die zu dauerhaften Einsparungen bei den laufenden Bewirtschaftungsausgaben führen. Zum anderen wird zur Finanzierung von weiteren investiven Maßnahmen, die einen direkten und substanziellen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Programms leisten können, im Jahr 2013 ein Betrag in Höhe von 15 Mio. Euro bereitgestellt, beispielsweise im Bereich IT durch energiesparende PCs.

Gegen eine energetische Erneuerung
ist nichts einzuwenden. Diese aber als Kern einer »vorsorgenden Finanzpolitik« zu bezeichnen, ist aber – angesichts der vergleichbar kleinen Summe von 50 Mio. Euro – maßlos überzogen.

»Nachhaltig und zukunftsfest«

Nachhaltig und zukunftsfest soll der Haushaltsentwurf sein, behauptet die Landesregierung. Das sieht die Opposition anders: CDU-Fraktionschef Johannes Callsen und CDU-Finanzexperte Tobias Koch warnten: »Trotz Rekordeinnahmen und Niedrigzinsen soll die Neuverschuldung nächstes Jahr im Vergleich zu diesem Jahr um mehr als 150 Millionen Euro steigen.« Heiner Garg, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion sieht die Koalition durch den Verzicht auf ursprünglich vorgesehene Stelleneinsparungen im nächsten Jahr unter Druck »diese Stelleneinsparungen zusätzlich zu den eingeplanten Kürzungen« umzusetzen.

Aber nicht nur Konjunktureintrübungen, sondern auch die Situation der HSH-Nordbank können den Haushalt zur Makulatur werden lassen. Eine Risikovorsorge im Haushalt 2013 sei derzeit nicht möglich, behauptet die Landesregierung. Im zweiten Quartal war das Geldinstitut wieder in die roten Zahlen gerutscht. Nach einem Gewinn von 70 Mio. Euro im ersten Quartal, meldete es für das zweite Quartal einen Nettoverlust von 58 Mio. Euro. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Zweitverlustgarantie der beiden Länder angegriffen werden muss, ist laut HSH in diesem Jahr gestiegen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki forderte, Vorsorge im Haushaltsentwurf für 2013 zu treffen. »Wir können nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, bis die vorgegebene Eigenkapitalquote unterschritten ist oder die HSH den Rechtsanspruch aus der Zweitverlustgarantie bei den Ländern geltend macht«, sagte er.

Vor einer schwierigen Aufgabe
steht die Landesregierung auch bei ihrem Anspruch, die Kommunen bei der Konsolidierung ihrer Finanzen unterstützen zu wollen. »Es war gut, dass wir vorsorglich 15 Millionen Euro für die Konsolidierungshilfen der Kommunen in den Haushalt eingeplant hatten«, so Finanzministerin Heinold. Ob diese 15 Mio. Euro ausreichen, um den schwächsten Kommunen wieder auf die Beine zu helfen und darüber hinaus deren prekäre Lage insgesamt zu verändern, ist sehr zweifelhaft. Der August-Bericht des Innenministeriums beschreibt die Lage so:

»Ab 2012 zeichnet sich eine Entspannung der Finanzlage der Kommunen ab

  • aufgrund der zu erwartenden erheblichen Zuwächse bei den Einnahmen der Kommunen aus Finanzausgleich und Steuern,
  • der schrittweisen Übernahme der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund,
  • der Verstärkung der Anstrengungen der Kommunen zur Haushaltskonsolidierung, wie sie u.a. auch aus der Zunahme der Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer B und den sonstigen Gemeindesteuern 2010 und 2011 ablesbar ist,
  • der Aufstockung der Mittel für Kommunen mit aufgelaufenen Defiziten.«

Die Anweisung des Innenministeriums an die Kommunen spricht eine klare Sprache: »Die Kommunen müssen daher ihre bereits eingeleiteten Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung vorrangig durch eine Begrenzung des Anstiegs der Aufwendungen im Ergebnisplan bzw. Begrenzung des Anstiegs der Ausgaben im Verwaltungshaushalt mit Nachdruck fortsetzen. Ziel der Haushaltskonsolidierung muss es sein, neue Defizite im Ergebnisplan / Verwaltungshaushalt zu vermeiden, ggfls. aufgelaufene Defizite abzubauen und eine Zunahme der Verschuldung insgesamt, d.h. unter Einbeziehung der ausgegliederten Aufgabenbereiche eng zu beschränken und nach Möglichkeit zu vermeiden.«

Mit dem Rücken an der Wand stehend haben die Kommunen nur die Chance, Unterstützung zu erhalten, wenn sie sich an die genannten Vorgaben halten. Das ist keine neue Politik, die aus den infrastrukturellen Schwächen des Landes Schleswig-Holsteins hinausführen.