21. Juni 2016 Heinz-Michael Kittler

Kommunales Lohndumping endlich stoppen !

Verhalten sich öffentlich-rechtliche Arbeitgeber genau so unsozial wie viele privatrechtliche? Leider oft ja. Beide wollen für möglichst wenig Geld möglichst viel Arbeitsleistung - die einen zur Gewinnmaximierung, die anderen um ihre Budgets zu schonen. Dabei ziehen sie alle Register. Bei kommunalen Arbeitgebern sind die beliebtesten Tricks Pseudo-Ausgliederungen und Verschachtelungen um gewachsene Tarife wie z.B. den kommunalen TvÖD zu unterlaufen um tariflose Zonen zu errichten.

In der Theorie bekommt zwar jede Belegschaft den Betriebsrat/Personalrat, den sie verdient, und jede Belegschaft hat das Recht sich gewerkschaftlich zu organisieren, womit erstens jede/r einzelne Arbeitsrechtsschutz erwirbt und zweitens Rechte und Tarife erstreikt werden können. In der Praxis sind Belegschaften aber heterogen mit vielen unerfahrenen Kollegen, deren Interessenbewusstsein noch ganz am Anfang steht, oder die aus Angst um ihren Arbeitsplatz schlicht eingeschüchtert sind.

Dem gegenüber steht der leistungsfordernde Arbeitgeber/Dienstherr  mit professioneller Personalstrategie, permanenter Rechtsberatung, wirtschaftlicher Überlegenheit und Dispositionsfreiheit insbesondere seiner Organisation. Sein klares Hauptziel ist immer Personalkostensenkung.

Kollegen, die ihre Interessen nicht organisiert wahrnehmen, haben somit auch im öffentlichen Dienst oft keine Chance mehr auf angemessene Arbeitsbedingungen- und Entlohnung. Manche genießen zwar noch die Reste mühsam erkämpfter Arbeitsbedingungen ihrer Vorgänger, aber die werden abgebaut, wenn es keine Widerstände gibt. Das muss aber nicht sein, es geht auch anders: Dazu zwei Beispiele aus dem Kreis Segeberg:

1) Der WZV

Unter dem Slogan: "Profis in orange" betreibt im Kreis Segeberg der "Wege Zweck Verband" (WZV) auch die kommunale Müllentsorgung bei dem traditionell der kommunale Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (TvÖD) galt. Um den TvÖD zum Auslaufmodell zu machen, gründete der WZV 2003 die privatwirtschaftliche Tochterfirma WZV Entsorgung GmbH & Co KG, mit der Begründung, mit dieser auch im Wettbewerb gewerbliche Kunden bedienen zu können. Hier lehnte er sich (allerdings vertragslos) an den erheblich niedrigeren Tarifvertrag der privaten Entsorgungswirtschaft etwas an, der um monatlich um bis zu  ca. € 400,-  niedriger ausfällt als der TvÖD. Denn mal hier und mal dort einen Container Gewerbemüll abholen ist etwas anderes als einen zuverlässiger kommunalen Liniendienst planvoll und terminsicher abzuarbeiten.

Während der WZV seine Stammbelegschaft dann schrumpfte, wurde nur noch bei seiner Tochterfirma zu den schlechteren Bedingungen eingestellt, einige Kollegen sogar dorthin versetzt. Sodann setzte er aber die bis heute auf  ca.170 Kollegen angewachsene Belegschaft der Tochterfirma in der kommunalen Müllentsorgung ein. Das führte dann oft dazu, dass der Müllwerker auf dem rechten Trittbrett nach dem TvÖD entlohnt wurde, und der auf dem linken Trittbrett bis zu 400 € monatlich weniger erhielt.

Zunächst waren die Kollegen, die sich bei diesem bekannten öffentlichen Arbeitgeber sicher fühlten und von denen nur zwei gewerkschaftlich bei verdi organisiert waren, völlig überrumpelt. Eine Initiative der linken Kreistagsfraktion, begleitet von viel Presse machte diese Angelegenheit gegen große Widerstände der anderen Parteien im Kreis Segeberg und darüber hinaus einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Es folgten Betriebsratswechsel beim WZV und ein starker Zuwachs von Eintritten in die vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft verdi.

Inzwischen ist die Belegschaft des WZV bzw. seiner Tochterfirma mit einem Organisationgrad von weit über 70 % streikbereit und gut gerüstet, bald ihre Forderung nach gerechtem Lohn nach TvÖD für gleiche Arbeit durchzusetzen.  Denn dass die WZV Entsorgung GmbH & Co KG am11.03.2016 noch schnell dem Tarif des Bundesverbandes der deutschen Entsorgungs-, Wasser- Und Rohstoffwirtschaft BdE auch vertraglich beitrat, hilft den Kollegen nur wenig.

Wohl noch in diesem Jahr wird sich der WZV entscheiden müssen, ob er zu Lasten der Bürger des Kreises Segeberg einen Streik provozieren will oder ob er sich mit der Dienstleistungsgewerkschaft verdi einvernehmlich auf den Tarifvertrag der kommunalen Arbeitgeber einigt.

Zunächst will der WZV aber etwas anderes versuchen: noch eine Tochterfirma gründen und "personell umgruppieren"!  Während dann in der alten Tochterfima 30 Kollegen verbleiben sollen, um die gewerbliche Entsorgung zu verrichten, sollen die anderen wechseln. Die 40 noch im TvÖD zurück in die Mutter WZV und die 100 restlichen in die neue Tochter, um aber dann im Auftrag des WZV als Subunternehmen die kommunale Entsorgung zu verrichten. Auch wenn der WZV dann meint, behaupten zu können, in jeder Teil-Firma gäbe es dann für gleiche Arbeit gleichen Lohn, nennt der zuständige verdi Gewerkschaftssekretär das skurril, denn für kommunale Arbeit gilt der kommunale Tarifvertrag und nicht der für die Gewerbeentsorgung. So scheint ein Streik unvermeidbar.

2) Der VJKA  (Verein für Jugend-und Kulturarbeit im Kreis Segeberg e.V.)

Bis 1999 wurden die Aufgaben der Jugendpflege von der Kreisverwaltung Segeberg besorgt. Alle Kollegen waren im TvÖD. Um auch hier den TvÖD zum Auslaufmodell zu machen, wurden diese Aufgaben, zu denen der Kreis gesetzlich verpflichtet ist, einem Verein übertragen. Der Verein ist als Betrieb theoretisch rechtlich selbständig, wird aber überwiegend vom Kreis finanziert, bzw. von Anfang an unterfinanziert.

Bei der Vereinsgründung wurden einige Kolleginnen und Kollegen aus der Kreisverwaltung überstellt. Neueinstellungen ab Vereinsgründung erfolgten außerhalb des TvÖD. Es entstand eine Lohnspreizung wie beim WZV und auch beim VJKA schrumpfte der Belegschaftsteil im TvOD auf heute 20 Kolleginnen und Kollegen, während der inzwischen weit überwiegendere tariflose Belegschaftsteil weiter auf derzeit 70 angewachsen ist. Auch die jährlichen Lohnanpassungen erfolgten erheblich unter den TvÖD-Abschlussquoten, so dass sich die Schere der Lohnspreizung zwischen den Belegschafsteilen immer weiter öffnete.

Mit der Übernahme der ehemaligen Evangelischen Akademie, die auf CDU/FDP Antrag 2009 mit breiter Zustimmung des Kreistages neues Domizil des VJKA's wurde, entstand eine neue Qualität. Aus den Protokollen, z.B. des Kreistages vom 26.03.2009 geht hervor, dass dieser große Schritt auch unter Inkaufnahme künftiger finanzieller Risiken von fast allen Kreistagsfraktionen politisch so gewollt war.
.https://kreis-se.info/bi/to020.asp?TOLFDNR=6361&options=4

Allerdings übertrug der Kreis diese Risiken umgehend auf den Verein. Der Kreis kaufte die Akademie und vermietete sie an den VJKA.  Viele Umbauarbeiten musste jedoch der Verein aus einem Kredit und seinen Haushaltsmitteln tragen obwohl er nur Mieter ist.          
Wegen der vom Kreis praktizierten Unterfinanzierung des VJKA's, die der Kreis zur Konsolidierung seines Haushaltes zwischenzeitlich schon mal trotz steigender Aufgaben noch weiter absenkte, kam es Ende letzten Jahres zum Eklat: Dem Verein drohte Zahlungsunfähigkeit.

Womit wurde die Zahlungsunfähigkeit abgewendet? Neben den noch etwa 20 damals vom Kreis übernommenen Mitarbeitern, die noch im (alten) TvÖD sind und somit Rechtsanspruch auf Weihnachtsgeld haben, hatte der VJKA auch den anderen etwa 70 angestellten Mitarbeitern seit Jahren ein Weihnachtsgeld gewährt. Zur Deckung des VJKA-Defizites tolerierten die Kreisgremien mehrere Maßnahmen, zu denen auch gehörte, dass der VJKA den Mitarbeitern, die angeblich keinen Anspruch hätten, das Weihnachtsgeld aussetzte, was diese aus Angst um ihren Arbeitsplatz duldeten. Diese Angst war natürlich unbegründet.

Der Kreis Segeberg als originärer gesetzlicher Träger der Jugendpflege kann diese nicht einfach pleite gehen lassen, denn er blieb als örtlicher Träger in der Gesamtverantwortung und für Dienste und Einrichtungen müssen lt. § 17 Gemeindeordnung SH ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden, wie es auch im Vertrag zwischen Kreis und VJKA in § 1 ausdrücklich wiederholt wird. "Ausreichend" ist sicher nicht, wenn die Liquidität vom Weihnachtsgeld der am niedrigsten bezahlten Kolleginnen und Kollegen abhängt. Dieses beträgt ca. 1,5% vom VJKA Jahresbudget.

Als die linke Kreistagsfraktion im folgende Ausschuss für Bildung, Kultur und Sport dagegen heftig protestierte, "dass der Kreis Segeberg andere Ausbeuter noch überholt", wurde sie prompt zur Ordnung gerufen und erhielt Wortentzug. Nachdem sich im April herausstellte, dass der Jahresabschluss 2015 des Kreises Segeberg um 10 Millionen € besser ausfiel als gegen Ende 2015 noch prognostiziert, beantragte DIE LINKE, das vorenthaltene letzte Weihnachtsgeld als sog. freiwillige Leistung nachträglich auszuzahlen. Ergebnis: keine einzige Zustimmung. Weder im Jugendhilfeausschuss noch im Ausschuss für Bildung, Kultur und Sport. Ausrede: Lohnangelegenheiten des Vereins gingen den Kreis nichts an. Ob der nächste Kreistag in einer Woche dem folgt, bleibt abzuwarten.

Dabei hätte die Verweigerung des seit vielen Jahren gewährten Weihnachtsgeldes vor Gericht wahrscheinlich keinen Bestand, denn ein Widerruf von bis dato gewährtem Weihnachtsgeld muss vor einem Arbeitsgericht begründet werden. Dabei greifen auch Gleichbehandlungsgrundsatz und Billigkeit und verpflichtet den Arbeitgeber auch zu erklären, warum zur Abwehr des Übels Zahlungsunfähigkeit das Weihnachtsgeld einiger Mitarbeiter nicht gezahlt werden kann, das der Tarifangestellten aber sehr  wohl. Er müsste also belegen, dass er sich nur noch das tariflich geregelte Weihnachtsgeld gerade noch leisten kann, ohne zahlungsunfähig zu werden. Aber: wo kein Kläger, da kein Richter.

Nun kommt es darauf an, ob die Kolleginnen und Kollegen im VJKA mit ihrer unendlichen Duldsamkeit ihren Arbeitgeber zu weiteren Einschränkungen ermuntern, oder sich an den Kolleginnen und Kollegen vom WZV ein Beispiel nehmen.