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2. Juli 2009

Kurzarbeit im Kreis Segeberg: LINKE traf Ludwig

Zu einem Meinungs- und Informationsaustausch lud der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Arbeitsagentur Neumünster: Carsten Ludwig, zu dessen Amtsbezirk auch der Kreis Segeberg gehört, die Fraktionen des Segeberger Kreistages am 1. Juli 2009 ein.

Während von der FDP 2 Kreistagsabgeordnete der Einladung folgten, kam von den Grünen und von der SPD je 1 Vertreter während die CDU - obwohl größte Fraktion - durch völlige Abwesenheit glänzte. Mit 7 Anwesenden erschien aber fast vollständig die fleißige Fraktion DIE LINKE.

Gastgeber war ein Betrieb der Metallbranche aus Henstedt-Ulzburg, der für einen Grossteil seiner 160 Beschäftigten die von der Bundesagentur für Arbeit angebotenen Kurzarbeit auch für eine Weiterbildung seiner Beschäftigen nutzt.
Das ist leider nur in ca. 15 % aller kurzarbeitenden Betriebe der Fall.

Die Partei DIE LINKE unterstützt das Instrument der Kurzarbeit, weil sie den Beschäftigten nutzt, weiß aber, dass diese Brücke nur ein Provisorium sein kann.Aber: je höher die Qualifikation – um so sicherer der Arbeitsplatz und klar ist: nach der Krise kommt der Facharbeitermangel. Das weiß die Bundesagentur für Arbeit, das weiß auch der Gastgeber und bei einigen Betrieben hat sich das auch schon herumgesprochen.
 
Zunächst schilderten die Firmenvertreter ausführlich, wie dieser 50 Jahre alte, gut eingeführte Mittelstandsbetrieb durch Innovation, know how und kontinuierlichem, stabilen Wachstum ab 2008 völlig unvermittelt in den verschiedenen Produktbereichen mit Absatzrückgängen von bis zu über 50% überrascht wurde. Darüber hinaus werden in naher Zukunft weitere Rückgänge befürchtet, da die verbliebenen Abnehmer dazu übergingen, freie Kapazitäten zu nutzen, um mit Bordmitteln bisher bezogene Produkte und Leistungen auch selbst zu fertigen.
Anhand von konkreten Beispielen erläuterten sie anschließend verschiedene neue Maßnahmen in Technik,  Produktentwicklung, Organisation und Service, um künftig noch besser aufgestellt zu sein, sollte die Nachfrage wieder anziehen.

Was aber wenn nicht? Unsere Fraktionsmitglieder mussten darauf hinweisen, dass die Krise nicht verschwindet wie der Morgennebel, wenn der Tag anbricht.
Vielmehr habe die kapitalistische Krise die ganze Kausalkette zerstört: Nachfrage-Handel-Endfertigung bis hin zu Rohstoffen. Sie baut sich nach unserer Meinung nur dann wieder auf, wenn die Mehrheit der Menschen wieder mehr Geld ausgeben (können) und das sei mit neoliberaler Politik ziemlich ausgeschlossen.

Der dann folgende Bericht von Herrn Ludwig über den Arbeitsmarkt im Kreis Segeberg berücksichtigte auch Norderstedt, dessen Arbeitsagentur-Geschäftsstelle allerdings dem Bezirk Elmshorn angehört. Die BA unternehme im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles, was der Gesetzgeber zulässt, um den Ausgleich am Arbeitsmarkt zu fördern. Dieses Arbeitsagenturgespräch mit Wirtschaft und Politik, was so völlig neu ist, gehöre auch dazu. 

Konkret nannte Ludwig für den Kreis Segeberg 7.437 Arbeitslose, wobei der Bereich ALG I ( 3.275 = + 36,1% zum Vorjahr) wegen der Neumeldungen dramatisch zunehme, die Bedarfsgemeinschaften/ ALG II jedoch (zunächst noch) leicht abnehmen. Die saisonal übliche Frühjahrsentlastung fiel dieses Jahr im Wesentlichen aus, aller Voraussicht nach sei zum nächsten Winter mit einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen.
Ältere (Ü 55) sind trotz diverser Kampagnen leider (wieder) überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen ( + 32,3% zum Vorjahr), Jugendliche leider auch ( + 21,4 % zum Vorjahr). Frauenarbeitslosigkeit habe sich zum Vorjahr kaum verändert. Insgesamt hätte sich die Arbeitslosenzahl von 2005 bis (Gesamtjahr) 2008 von 11.280 auf 7009 gesenkt, wird aber Ende 2009 höher sein als 2005.

Trotz der angenehmen Gesprächsatmosphäre mussten die Genossen der LINKEN diese Darstellung vehement korrigieren: Geheimnis des Rückgangs der gezählten Arbeitslosigkeit war mitnichten eine Verbesserung der Beschäftigung, sondern ein Austausch von guten Arbeitsplätzen in schlechte: Zeitarbeit, Teilzeit, 400 € Jobs und prekäre Arbeitsverhältnisse zu Dumpinglohnbedingungen, woran leider auch der Arbeitgeber-Stellen-Service der BA sowie der Kreis Segeberg  (trotz erbittertem Widerstand von DIE LINKE) beteiligt war und ist. 
Außerdem berücksichtige die offizielle Zählung nicht die krankgemeldeten Arbeitslosen, diejenigen in Maßnahmen, über 58 jährige und Antragsteller eines Vermittlungsgutscheins. Schon deshalb ist die genannte Arbeitslosenzahl stets ca. um ein Drittel zu erhöhen. Darüber hinaus werden auch diejenigen nicht mitgezählt, deren ALG I ausläuft, die aber Mangels Bedürftigkeit  (z.B.Ehepartner hat Einkommen) keinen Anspruch auf ALG II haben. Hinzuzuzählen ist natürlich der Freisetzungsanteil der Kurzarbeiter. Insgesamt dürfte die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen doppelt so hoch sein, wie angegeben.
Echter Parameter zur Messung der Qualität der Beschäftigung wäre die Erfassung der Sozialversicherungsbeiträge im Kreis Segeberg. Die sei laut Ludwig aber u.a. wegen der Pendlerströme nicht messbar.

Halbwegs belastbare Zahlen zur Kurzarbeit können nur mit 3 Monaten Verzögerung veröffentlicht werden. Zunächst wird die Anzahl der Betriebe erfasst, die Antrag auf
mögliche Kurzarbeit stellen. Danach die Zahl der Beschäftigten, die betroffen sind. Erst wenn tatsächlich Kurzarbeitergeld geflossen ist, kann am folgenden Monatsende summiert werden.
Zahlen für März, Agenturbezirk Neumünster: In Kurzarbeit waren 373 Betriebe bzw. 4338 Beschäftigte. Bis zum 30. Juni meldeten sich 202 weitere Betriebe.
Kurzarbeiterquote ca: 3% an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen.
DIE LINKE rechnet nach: die Kurzarbeiterquote dürfte jetzt noch einmal fast so hoch wie die Arbeitslosenquote sein, was für den Kreis Segeberg auf versicherungspflichtige Vollzeitstellen umgerechnet reichlich 3000 Stellen ausmachen dürfte. Fortsetzung, besonders nach dem Sommer, völlig ungewiss.
Betroffen ist besonders der gewerblich-technische Bereich, während die Branchen Gesundheit, Handel und Dienstleistung noch relativ stabil scheinen.

Wie die Bundesagentur für Arbeit, deren  Beitragserhebung der Gesetzgeber zur Entlastung der „Lohnnebenkosten“ innerhalb von 2 Jahren von 6,5% auf 2,8 % gesenkt hatte, das finanzieren will, blieb offen. Für das zu erwartete Milliardenloch
muss wohl der Bundeshaushalt herhalten, dessen Einnahmen zu 75%
durch Lohn-, Verbrauchs- und MwSt. von Arbeitnehmerhaushalten stammt.

Fazit: Alle Teilnehmer der Veranstaltung haben hinzugewonnen und danken den Initiatoren für Idee, Organisation, Durchführung und Gastfreundschaft.