Spätestens in diesem Sommer ist es auch für Zweifler deutlich geworden: Extremwetterlagen sind das neue Normal, und alte, recht verlässliche Jahreswetterverläufe weichen stetiger Ungewissheit. Die Jahre sind und werden wechselnd von Dürren, Hitzewellen oder von Serien von Starkregenereignissen geprägt und scheinbar kann jedes Wetterereignis jede Region treffen, unabhängig von deren früheren, regionaltypischen stabilen Wetterverläufen. Diese Unberechenbarkeit des Wetters wird zu einer der zentralen Herausforderungen für die Menschheit, denn Klimawandel heißt nicht nur, ihn mit allen Mitteln zu versuchen zu verhindern, sondern auch die bereits nicht mehr abwendbaren Folgen so gut, wie irgend machbar, zu managen. Eine wichtige Aufgabe hierbei ist der Schutz der Bevölkerung vor Hitze. Insbesondere Kinder, alte und auch erkrankte Menschen gelten als deutlich gefährdet, da große, aber auch lang anhaltende halbwegs moderate Hitze für sie rasch lebensbedrohlich werden kann. Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes deuten auf eine deutliche hitzebedingte Übersterblichkeit in diesem Sommer hin. Im Juli sind in Deutschland offenbar auch aufgrund der Hitze zwölf Prozent mehr Menschen gestorben als im Mittel der Jahre 2018 bis 2021 für diesen Monat. Insgesamt wurden demnach 85.285 Todesfälle gezählt. Das sind 9130 mehr als der Durchschnittswert. Dabei ist auffällig, dass – wie bereits im Juni – die Sterbefallzahlen vor allem in Phasen sehr hoher Temperaturen erhöht gewesen seien. „Dass im Zuge von Hitzewellen die Sterbefallzahlen ansteigen, ist ein bekannter Effekt, der bereits in den Vorjahren beobachtet wurde. In diesem Jahr sind jedoch bereits bis Ende Juli außergewöhnlich viele Wochen von diesem Effekt betroffen.“ kommentieren die Statistiker die erschreckenden Zahlen.
Um die Einwohner zu schützen, folgen immer mehr Kommunen den Empfehlungen, ein Hitzemanagement zu entwickeln, das u.a. Kühlungsmöglichkeiten bereitstellt und sich aktiv um hilfsbedürftige Bürger in solchen Wetterlagen kümmert.
Wie gut die Stadt Norderstedt bereits in Sachen Hitzeschutz aufgestellt ist und wo noch Handlungsbedarf besteht, will die Partei DIE LiNKE.Norderstedt nun über eine Anfrage im Umweltausschuss in Erfahrung bringen. „Klimafolgenmanagement erlaubt keinen Aufschub mehr!“ so Christine Bilger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und für DIE LiNKE im Umweltausschuss.“Wir sind bereits mitten drin in den Problemen und Unsicherheiten, die uns der Klimawandel beschert und müssen uns rasch daran machen, uns 'wetterfest' zu bekommen.“ In den vergangenen Jahren habe sich viel um die Frage gedreht, wie man mit Starkregenereignissen zurecht kommen könne, und natürlich auch darum, für Neubaugebiete gleich ein kühlendes Stadtklima für heiße Sommermonate mit zu denken. Das reiche aber bei weitem nicht aus, stellt Bilger fest. Ohne z.B. eine konkrete Kartierung von Hitzeinseln, also Bereiche im Stadtgebiet, die sich besonders aufheizen werden, können Politik und Verwaltung nicht gezielt gegensteuern. „Wir brauchen einen Überblick, wo wir im Rahmen der Stadtentwicklung eingreifen müssen. Darüber hinaus sollte eine Infrastruktur für Kühlungsangebote geschaffen werden, die im Ernstfall umgehend abrufbar ist.“ schlägt Bilger vor. Auch sei ein Hilfsangebot für weniger mobile Menschen wichtig. Dazu müsse man aber wissen, wo diese die Hilfe benötigen werden und Hilfspläne entwickeln.
Ein weiteres Problem stelle laut Dr. Norbert Pranzas, Umweltgutachter und für DIE LiNKE im Planungsausschuss, die Wohnsituation in mangelhaft gedämmten Häusern dar. Insbesondere Dachwohnungen heizen sich stark auf und lassen sich auch nachts oft nicht ausreichend durch lüften auskühlen. In solchen Objekten wohnen häufig Mieter, die dem fehlenden Investitionswillen von Vermietern ausgesetzt sind. Kommt noch hinzu, dass es sich um Mieter mit nicht allzu hohem oder gar geringem Einkommen dreht, wird der Schutz vor Hitze zur Klassenfrage: wer sich keine Klimaanlage, bzw. dessen teure und energieintensive Nutzung leisten kann, ist der Hitze schutzlos ausgeliefert. „Wir müssen nicht zuletzt auch deswegen unsere Bemühungen intensivieren, große Anreize für eine energetische Sanierung zu schaffen!“ so Pranzas. Was bislang vor allem hinsichtlich der Einsparung von Heizenergie - und damit auch CO2 – gefordert wird, gilt nun genauso für den gesundheitlichen Schutz vor Hitze.
„Klimaschutz und Klimafolgenmanagement sind Gemeinschaftsaufgaben!“ meint auch Miro Berbig, der linke Fraktionsvorsitzende. „Und für Hauseigentümer – ganz gleich, ob Einzelpersonen oder Wohnungsgesellschaften - gilt: Eigentum verpflichtet!“ Es sei nur logisch, dass Hauseigentümer nach besten Kräften mitwirken beim Klimaschutz, der Energiewende und beim Klimafolgenmanagement, also auch beim Schutz der Bewohner vor Hitze.
Christine Bilger ist sicher: „Die Antworten auf unsere Anfrage werden eine gute Basis liefern für die Entwicklung und Beschlussfassung von weitreichenden und soliden Maßnahmen zum Hitzeschutz für Norderstedter Einwohner*innen!“ Die Verwaltung verfüge über sehr motivierte Mitarbeiter mit viel Klima-Know-How, sie brauche von der Politik jedoch einen eindeutigen und entschlossenen Auftrag, sowie endlich ein Ende des leidigen Hüh- und Hott-Abstimmverhaltens, das sich in klimapolitischen Belangen leider noch immer durch die Ausschüsse zieht.