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Krachende Niederlage für das Jobcenter und den Kreis Segeberg: Per Eilentscheid hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht festgestellt, dass der 63jährige Norderstedter Joachim Tzyschakoff weiterhin Anspruch auf monatlich 574,20 Euro Kaltmiete hat - obwohl er nach den gültigen Mietobergrenzen des Kreises nur noch 530 Euro erhalten sollte.
Und weil das Gericht neben dem konkreten Fall auch die Ermittlung der Mietobergrenzen des Kreises insgesamt ins Visier nahm, ist die zuletzt 2017 angepasste Tabelle zu den "angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU)" ins Wanken geraten - wieder einmal.
Seit fast acht Jahren schwelt der Konflikt um die maximale Höhe der Mietkosten, die das Jobcenter für Hartz-IV-EmpfängerInnen und andere Hilfsbedürftige übernehmen muss. Ende 2011 hatte der Kreis diese Obergrenze nach einem umstrittenen Gutachten deutlich abgesenkt, obwohl die Mieten in der beginnenden Wohnungsnot bereits erheblich gestiegen waren. Anfang 2012 schrieb das Segeberger Jobcenter dann auf Grundlage der gesenkten Werte Hunderte LeistungsempfängerInnen in Norderstedt an und forderte sie zum Umzug auf, bzw. dazu, ihre "Mietkosten zu senken". Erst nach monatelangen Auseinandersetzungen, in denen sich LINKEN-Politiker Heinz-Michael Kittler immer wieder lautstark für realistische Mietobergrenzen in die Bresche warf, zog der Kreissozialausschuss seine Zahlen schließlich zurück und ließ sie neu berechnen - zwei Mal um genau zu sein, beide Male wurde kräftig nach oben verbessert.
Und dennoch: Auch für 530 Euro Kaltmiete, aktueller Tabellenwert für Ein-Personen-Haushalte in Norderstedt, bekommt man kaum eine Wohnung. So jedenfalls die Erfahrung von Joachim Tzyschakoff, der sich jetzt indirekt auch das Landessozialgericht anschloss, indem es die aktuell gültigen Mietobergrenzen als nicht rechtmäßig bestimmt eingestuft hat. Deshalb, so Tzyschakoff in einem von ihm und einigen Mitstreitern betriebenen Blog, "wurde das Jobcenter Kreis Segeberg verpflichtet, die Mietobergrenzen auf Basis der Tabelle in §12 Wohngeldgesetz zuzüglich eines Sicherheitszuschlages in Höhe von 10% festzulegen" - im gesamten Kreis Segeberg. Was das für die Betroffenen bedeutet, hat der 63jährige Norderstedter auch gleich ausgerechnet, dazu Vordrucke für Widersprüche, Überprüfungsanträge und Anträge auf Beratungsscheine ins Netz gestellt.
Für DIE LINKE ist der Vorgang ein neuerliches Zeichen für die dramatische Lage am Wohnungsmarkt - und für die Tatsache, dass der Aufschwung der letzten Jahre an vielen Menschen in Norderstedt fast vollständig vorbeigegangen ist. Christine Bilger, Sprecherin der Norderstedter LINKEN: "Spätestens seit der Agenda 2010 setzt die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland fast ausschließlich darauf, Arbeitslose und andere Hilfsbedürftige passgenau für den zweiten und dritten Arbeitsmarkt zu machen. Geholfen wird so Keinem, Armut und Langzeitarbeitslosigkeit sind trotz positiver Konjunkturdaten stabil oder sogar noch gewachsen."
DIE LINKE fordert daher ein Ende der Sanktionspraxis gegen Transfergeldbezieher, ein effektives Vorgehen gegen Dumpinglöhne und ein Zurückdrängen der prekären Zeitarbeitsbranche. Um der Wohnungsnot zu begegnen, soll die Sozialwohnungs-Quote in Norderstedt bis auf weiteres auf 50 Prozent angehoben und eine städtische Wohnungsbaugesellschaft gegründet werden.
Olaf Harning