Zur Zeit wird gefiltert nach: Kreistagsfraktion Segeberg

5. Dezember 2013 Heinz-Michael Kittler

LINKE: Der Nikolaus kommt manchmal mit der Rute

Weil in Schleswig-Holstein nur für öffentlich vergebene Aufträge ein Mindestlohn von € 9.18 gilt und die kommende große Koalition bundesweit einen flächendeckenden Mindestlohn erst in über 2 Jahren vorschreiben will, hatte die linke Kreistagfraktion schon mal angefragt, wie denn Verwaltung und Jobcenter gegen bestehenden Lohnwucher, bzw. sittenwidrige Löhne vorgehen. Von einem sittenwidrigem Lohn ist auszugehen, wenn der tarifliche Stundenlohn oder der ortsübliche Lohn um mehr als ein Drittel unterschritten wird.

Hintergrund ist, dass Niedriglöhner auch Anspruch auf Hartz IV haben, nämlich in der Höhe der Differenz zwischen ihrem Niedriglohn und dem vollen Anspruch, der ihnen mit Hartz IV zustehen würde. Auch weil der Steuerzahler somit bei sittenwidrigen Löhnen die Extraprofite der Ausbeuter zahlt, ist das verboten, erstens wegen Lohnwucher und zweitens auch wegen Prellung der Sozialkassen, § 115 SGBX und § 33 SGBII. Benachteiligt wird auch die Wirtschaft allgemein, da sich derartige Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber ehrlichen Betrieben verschaffen.

Je niedriger die Löhne, desto mehr müssen die Jobcenter dann die sogenannte Aufstockung an die Betroffenen zahlen. Deshalb gehen bundesweit immer mehr Jobcenter gegen derartige Ausbeuter-Betriebe gerichtlich vor und bekommen auch Recht. Ergibt sich nach Aktenlage ein konkreter Verdacht, erfolgt idR. zunächst die Einschaltung des Hauptzollamts dessen Spezialtruppe dann zu einem unangekündigten Termin im Betrieb "vorspricht" und gründlich ermittelt. Neben  einer empfindlichen Bestrafung und ggf. Gewerbeentzug müssen ertappte Betriebe dann sowohl die unterschlagene Lohndifferenz wie auch die unterschlagenen Sozialabgaben nachzahlen.

"Wir freuen uns sehr", so Heinz-Michael Kittler, von der linken Kreistagfraktion, "dass wir mit unserem Anliegen bei der Kreisverwaltung und den Jobcentern offene Türen eingelaufen sind. Uns wurde bestätigt, dass auch schon in der Vergangenheit, allerdings erst auf Anzeige gehandelt wurde. Darüber hinaus hat uns die Verwaltung jetzt aber in Ihrer Antwort zugesagt, dass unsere Anfrage zum Anlass genommen werde, noch in diesem Jahr an jedem der drei Standorte des Jobcenters Segeberg 25 Fälle mit vermutlich sehr geringem Einkommen im Rahmen einer Stichprobenprüfung näher zu betrachten"   
Zuletzt hatte die Bundesagentur für Arbeit in dieser Angelegenheit für den Kreis Segeberg im März diesen Jahres Daten erhoben. Demnach gab es im Kreis 3045 Aufstocker, das waren ca. ein Drittel aller HartzIV- Anspruchsberechtigten. Davon arbeiteten 663 sogar in Vollzeit, 1075 in Teilzeit und 1307 als geringfügig Beschäftigte. Besonders bei letzteren ist der Stundenlohn häufig sehr schwammig im Arbeitsvertrag formuliert (z.B. "auf 450 Euro Basis, flexibel"). Wer so formuliert, darf sich nicht wundern, dann vom Zoll den konkreten Stundenlohn vorgerechnet zu bekommen.

"Viele Niedrigverdiener wissen übrigens gar nicht, ob sie mit sittenwidrigen Löhnen abgespeist werden  und/oder einen ergänzenden (Aufstockungs)-Anspruch auf Harz IV haben. Sie sollten deshalb beim Jobcenter vorsprechen, allein um ihren Lohn auf Sittenwidrigkeit überprüfen zu lassen. Darüber hinaus wird das Jobcenter jedem Hinweis diskret nachgehen, da es selbst Interesse hat, Geld von Ausbeutern zurück zu bekommen" empfiehlt die linke Kreistagfraktion. Sogar ein Lohn über € 8,50 kann sittenwidrig sein nämlich dann, wenn auch er den tarifliche Stundenlohn oder den ortsübliche Lohn um mehr als ein Drittel unterscheitet der für die entsprechende Tätigkeit zutrifft.