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2. Juli 2019

AfD überholt rechts - Waldheim scheitert

"Rechte Hetze fachgerecht entsorgen!" Protest gegen eine AfD-Kundgebung im Mai 2017 in Norderstedt (Foto: DIE LINKE).

Mit deutlicher Mehrheit haben die Mitglieder der schleswig-holsteinischen AfD auf einem Landesparteitag in Henstedt-Ulzburg Doris von Sayn-Wittgenstein zur Landesvorsitzenden ihrer ihrer Partei gewählt. Mit 137 zu 100 Stimmen setzte sich die 64jährige klar gegen den Norderstedter Christian Waldheim durch, obwohl gegen sie ein Parteiausschlussverfahren wegen möglicher Verbindungen in die rechtsextreme Szene läuft.


"Die Wahl von Sayn-Wittgenstein zeigt deutlich, welch Geistes Kind viele Mitglieder der AfD sind", kommentiert Christine Bilger, Sprecherin der Norderstedter LINKEN den erneuten Rechtsruck der Populisten. "Da kann Herr Waldheim in Norderstedt noch so viel Kreide fressen - am Ende ist er doch Bestandteil einer rechtsradikal durchsetzten Chaos-Truppe."

Der Fraktionsvorsitzende der AfD in Norderstedt hatte auf dem Ulzburger Parteitag für "Erneuerung" geworben und vertritt in seiner Partei einen eher moderaten Kurs - was ihn allerdings nicht davon abhält, regelmäßig von "Massenmigration" und "Islamisierung" zu fantasieren, die "Bestseller" der rechten Szene. Für die meisten der anwesenden Mitglieder war das am 29. Juni offenbar nicht radikal genug - sie wählten mehrheitlich die völkisch-nationalistische Rhethorik von Sayn-Wittgenstein: "Sogar in unserer Partei", rief sie unter Beifall, "sind schon jene Kräfte am Werk, die am Tod unserer Nation mitwirken." Nach verschiedenen Medienberichten hat Sayn-Wittgenstein Verbindungen in die sogenannte Reichsbürger-Szene und soll für rechtsradikale Veranstaltungen und Vereine geworben haben.

Gescheitert ist Waldheim auf dem Parteitag aber nicht nur mit seiner Kandidatur, sondern auch inhaltlich: So bemühte er sich nach einem Bericht des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags (shz) erfolglos, eine Resolution zum Klimaschutz auf die Tagesordnung zu setzen. Während er seinen Antrag begründete, wurde er von einigen Mitgliedern ausgebuht und sah sich lautstarkem Gegenwind ausgesetzt. Die AfD bestreitet den menschgemachten Klimawandel mehrheitlich, Bundespolitikerin Beatrix von Storch behauptet etwa, der bereits erfolgte Temperaturanstieg beruhe darauf, dass die Sonne stärker scheint (!).  

Bilger: "Dass es Waldheim mit dem Klimaschutz Ernst ist, wird er in den kommenden Monaten in Norderstedt beweisen  müssen. Andernfalls muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, nun auch bei den Grünen Wähler fischen zu wollen - durch simples Kopieren deren aktueller Kampagnenthemen."

Nach ihrem Parteitag sind die Rechtsaußen in Schleswig-Holstein nun so zerstritten wie nie, sogar eine Spaltung der Partei scheint möglich. So warnte der Bundestagsabgeordnete Bruno Hollnagel, stellvertretender Landeschef der AfD, schon während des Parteitages vor "Selbstzerfleischung" und rief den Mitgliedern zu: "Bitte denken Sie daran, wir sind umgeben von Feinden - wir schaffen es nur gemeinsam." Und Waldheim selbst fürchtet offenbar Austritte gemäßigter Mitglieder: "Treffen Sie keine übereilten Entscheidungen. Treten Sie nicht aus unserer AfD aus. Ein Austritt ist keine Lösung", verbreitete er über seinen Facebook-Account, "wir dürfen nicht denen das Feld überlassen, die lieber im Gestern schwelgen, als die Probleme von Heute zu lösen und an Morgen denken."

Das könnte sogar DIE LINKE unterschreiben, allerdings mit Blick auf die gesamte, stark rückwärts gerichtete AfD - Waldheim inklusive.

Olaf Harning