7. Juli 2014 Heinz-Michael Kittler

Da andere versagen, soll sich der Kreis um Sozialwohnungen kümmern

Mit heutigen Antrag fordert die linke Kreistagsfraktion konkret zu prüfen, wie der Eigenbetrieb ISE (Immobilienverwaltung des Kreises Segeberg) Sozialwohnungen selbst realisieren könnte. In der Antragsbegründung heißt es: "DIE LINKE  Kreistagsfraktion sieht dringenden Handlungsbedarf für sozialen Wohnungsbau in unserem Kreis. Die Anlässe sind insbesondere das große Defizit von Wohnungen mit einfachem Standard, die Auswirkungen gemäß § 16 (3) SHWoFG ab 30.06.2014, die steigende Zahl von Flüchtlingen, sowie dringende Stabilisierung der Mietpreisentwicklung und der Unterkunftskostenerstattung.

Wie bekannt, sind größere Neubauprojekte mit einer Sozialquote eher in größeren Städten praktikabel. Demgegenüber scheuen Flächenkommunen aus mehreren Gründen den sozialen Wohnungsbau, wie auch ein leitender Mitarbeiter unseres Jobcenters mutig ein gängiges Bürgermeister-Vorurteil wiedergab: Die Gründe für hohe örtliche HartzIV Quoten seien vielschichtig, eine Rolle spiele aber die Zahl der Sozialwohnungen, wenn es irgendwo günstigen Wohnraum gibt, ziehen tendenziell Menschen mit geringerem Budget dorthin. (!)

Da Kommunen eher an solventen Einwohnern interessiert sind, von denen u.a. 20% der Einkommensteuer in die Gemeindekassen fließt, streben sie lieber die Erschließung neuer Eigenheimgrundstücke an. Da aber fast alle Kommunen dieser Logik unterliegen, muss das in einem Flächenkreis unter dem Strich ein Nullsummenspiel bleiben. Aus ihrer geringen Beteiligung an den zu gewährenden Unterkunftskosten ergibt sich für Kommunen ebenfalls wenig Interesse, diese durch Schaffung bezahlbaren Wohnraums zu reduzieren.

Unabhängig von seiner Ausgleichsverpflichtung hat demgegenüber ein Landkreis mit hoher Beteiligung an Wohngeldzahlungen allein schon aus finanzieller Sicht eine völlig andere Position. Er ist an bezahlbarem Wohnraum für alle seiner Bürger/innen interessiert und außerdem an einem mäßigenden Einfluss auf die Mietpreisentwicklung unterhalb von Luxuswohnungen.

Unser Eigenbetrieb ISE könnte möglicherweise als Steuerungsinstrument geeignet sein, schwankende Beschäftigung mit einem Engagement im sozialen Wohnungsbau auszugleichen." (Antragsbegründung Ende)

Um ihren Antrag zu beschleunigen und die Diskussion zu erleichtern, legten die Linken gleich ihre eigenen Ideen und Vorstellungen bei. Demnach würden sich schon bei der Bauplanung Vorteile ergeben. Bei Abgleich von Bedarfsmeldungen der Jobcenter und Sozialämter könne der Kreis frühzeitig Standorte priorisieren, ohne Eigeninteressen von Bürgermeisten oder Befindlichkeiten von Privatinvestoren zu unterliegen.

Prinzipiell sehen der Fraktionsvorsitzende der linken Kreistagsfraktion, Heinz-Michael Kittler und seine Genossen den Kernbedarf bei kleineren Wohnungen bis 75 Quadratmetern, aber das könnte ganz genau - wie auch die  Größenkombination vor Ort - mit kreiseigenen Daten noch viel exakter erfasst werden, als jeder Privatinvestor es könnte, wenn er überhaupt wollte. 

Die aktuelle MOG-Tabelle (Wohngeld) der Jobcenter und Sozialämter für den Kreis Segeberg  unter: http://www.jobcenter-ge.de/Argen/Segeberg/DE/Startseite/Jobcenter-Segeberg.html, weist z.B. für eine 75 Quadratmeterwohnung kreisdurchschnittlich 517 € aus. Das wäre Risikoarm und eine auskömmliche Einnahme für den Kreis, die dann wieder in Folgeobjekte einfließen könnte. Private Investoren erwarten viel höhere Mieten, wenden sich deshalb dem parallel wachsenden Bedarf im gehobenen Wohnungssegment zu und scheuen - so Kittler - den sozialen Wohnungsbau wie der Teufel das Weihwasser.
Ein Eigenbetrieb des Kreises könnte die einzelnen Vorhaben je Standort nach Größe und Umfang maßgeschneidert fertigen lassen, Fördermittel beim Land einwerben (derzeit für 1600 Wohnungen bereitgestellt), und vorübergehende Ergänzungsdarlehen zu Niedrigzinsen beziehen.

Langfristig stellen sich die Linken eher viele kleinere, mit etwa 6 - 10 Wohneinheiten, als wenige große Objekte vor.  Möglich sei auch eine Kooperation mit einer befreundeten Baugenossenschaft oder vielleicht mit der Stadt Norderstedt. Vielleicht ergibt sich auch die Option, der Stadt Bad Segeberg die Hälfte der Fläche beim Berufs-Bildungszentrum doch zu verkaufen, natürlich nicht für lau. Denn die Erlöse wären für  den Kreis ein willkommener Beitrag, um auf der anderen Hälfte der Fläche Sozialwohnungen zu errichten um so den städteplanerischen Grundsatz der Mischung zu gewährleisten.

Kittler verweist besonders auf den 30.Juni 2014, den DIE LINKE als schwarzen Tag für die Wohnungssituation in der Geschichte Schleswig-Holsteins bezeichnet. Nicht nur, dass mit Ablauf dieses Tages landesweit mehr als 15.000 Sozialwohnungen aus der sogenannten Sozial-Belegungsbindung gefallen sind, auch weitere in Bindung befindlichen Wohnungen – bislang oft bei Mieten ab 5,50 Euro pro Quadratmeter gedeckelt, dh. unterhalb der Wohngeldtabelle – dürfen nun regelmäßig verteuert werden, bis die ortsübliche Vergleichsmiete erreicht ist. Sozialwohnungen, wie wir sie kennen, gehören damit der Vergangenheit an.

Die Folge: der Kreis wird noch mehr Wohngeldberechtigte anschreiben, sich eine billigere Wohnung zu suchen, die es dann noch weniger gibt. Kittler vollzieht nach, wer das veranstaltet hat: „Es wäre falsch, wollte man Wohnungsunternehmen über ein halbes Jahrhundert vorschreiben, welches Mieterklientel in den Wohnungen leben soll.“ Mit diesen Worten leitete Schleswig-Holsteins damaliger Innenminister und SPD-Landesparteichef Ralf Stegner Ende 2007 eine Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes ein, die 2009 in Kraft trat, und - so die Linken - den größten, anzunehmenden Schaden anrichtete:  Weil Stegner die zuvor zwischen 45 und 70 Jahre gültige Mietpreisbindung – und zwar rückwirkend auch für bestehende Verträge – auf 35 Jahre begrenzte und den Vermietern außerdem erlaubte, die Miete noch gebundener Sozialwohnungen ab 30.06.2014 alle drei Jahre um bis zu 9 Prozent zu erhöhen, müssen die Mieter jetzt eine hohe Zeche zahlen. 

Insgesamt fielen und fallen in Schleswig-Holstein durch die Änderungen fast 30.000 Sozialwohnungen vorzeitig aus der sozialen Bindung, schon zum 30.Juni hatten verschiedene große Wohnungsgesellschaften in Schleswig-Holstein Mieterhöhungen für Tausende Sozialwohnungen angekündigt. In Norderstedt fallen z.B 2.000 Sozialwohnungen weg, 574 davon allein am 30. Juni DIE LINKE weiß, dass einige Kreistagskollegen im Eingriff auf den Wohnungsmarkt ein Politikum sehen, aber -so Kittler- die meisten sind ganz vernünftige Leute und wissen, dass wenn der Markt grandios versagt, die öffentliche Hand zum Handeln verpflichtet ist. Denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis der Menschen.